Wer hätte das gedacht? Die Crowdfunding-Kampagne von Chris Roberts ist nicht nur aufgegangen, sondern hat letzten Endes sogar alle Rekorde gebrochen. Sprudelten die Einnahmen von Beginn an zwar schon stetig, so brachte doch erst die Ausweitung der Finanzierungsaktion auf die bewährte Plattform kickstarter den nötigen Schub, um den Pott am Ende nicht nur mit den ersehnten 5 Millionen zu füllen, sondern sogar noch mit mehr, als nötig gewesen wäre. Sämtliche Stretchgoals (an jeweils unterschiedliche Gesamteinnahmen gekoppelte Inhalte) wurden erreicht und aus zuvor noch versprochenen Features wurden nunmehr Ankündigungen und Versprechungen, an denen sich Cloud Imperium Games messen lassen muss. Die militärische Einzelspieler-Kampagne Squadron 42 dürfte nunmehr in trockenen Tüchern sein und soll mindestens 50 Missionen umfassen - ein Umfang, der frühere Spacesims aus Roberts´ Feder nominell locker überbietet.
Dennoch kann dies nicht darüber hinwegtäuschen, dass das Geschäftsmodell von Chris Roberts von Anfang an ebenso auf das dauerhafte Online-Universum eines Star Citzen ausgerichtet war, und entsprechend klettert der Geldeingangszähler auf RSI weiterhin. Wer „Roberts Space Industries“ ganz zu Anfang noch für ein nettes Cameo des Spieldesigners im neuen Science-Fiction-Universum hielt, dürfte beim Besuch der Spielwebsite schnell eines Besseren belehrt werden. Denn dort werden – neben dem Spiel als Download – vor allem Raumschiffe im Bundle mit Spielcredits feilgeboten. Werden, nicht wurden, wohlgemerkt, denn neben diesen schon länger erhältlichen Paketen existiert nun auch eine Art Bestellkatalog voller Einzel-Raumschiffe und Addons für alle Aufrüstwilligen oder Frühausstatter mit Paypal-Konto bzw. Kreditkarte. Das Angebot dürfte in den kommenden Monaten noch wachsen, davon kann man jetzt schon ausgehen.
Nach dem Ablauf der etwas ausgedehnten CF-Frist haben sich die Pakete in Punkto Inhalt und Preis ein klein wenig geändert. Das versprochene Spiel kann derzeit zum Mindestpreis von 35 $* reserviert werden, wobei man allerdings auf das absolut Nötigste beschränkt bleibt, da selbst das Spielhanduch in digitaler Form als kostenpflichtiger Artikel (10$) gilt. DLCs wie Sternkarte (5$), Spielsoundtrack (10$), Making Of-Material (10$) oder eine Star Citizen-Literaturadaption (15$) stehen ebenfalls zur Reservierung bereit. Wer sich nicht mit digitalen Versionen dieser Materialien abfinden will, muss natürlich etwas tiefer in die Tasche greifen. Für 25$ bzw. 20 Euro können sogar schon T-Shirts zu Star Citizen oder Squadron 42 geordert werden.
Für Kontroversen könnte allerdings das spielinterne Versicherungssystem sorgen, mit dem zukünfige Sternenbürger ihr(e) Schiff(e) im Fall der Zerstörung wiederherstellen können. So steht Investoren, die vor dem 26. November überwiesen haben, exklusiv eine zeitlich unbefristete Versicherung zur Verfügung, die jedoch nicht für die geladene Fracht aufkommt. Wer jedoch erst nach Ablauf der Frist seinen Obolus entrichtet hat, erwirbt nur eine zeitlich begrenzte Police, die, entsprechend der Preiskategorie des Pakets, zwischen 2 und 12 Monate Sicherheit gewährt. Spätestens nach Ablauf der Versicherung werden also Rückversicherungskosten in Spielwährung anfallen, will man nicht im schlimmsten Fall ohne Schiff dastehen, was den Neukauf eines flugfähigen Untersatzes erforderlich macht. Zusätzliche Versicherungspolicen sollen später auch geladene Güter abdecken, wobei sich die Kosten nach dem jeweiligen Risikolevel der bereisten Sonnensysteme richten sollen. Ungeachtet der vielfältigen Ingame-Kosten für Landeerlaubnisse oder Zölle genießen fristgerechte Investoren mit der „Lifetime Insurance“ einen Bonus in Form eines Quasi-Speicherstands, den andere Spieler nur kaufen können. Wie hoch sich die jeweiligen Lebenskosten in „Galactic Credits“ belaufen und welcher Spielaufwand ihnen entspricht, ist jedoch noch nicht bekannt. Mit einem Mindestmaß an Sicherheit fliegt allerdings nur der, der im Spiel sein Konto auch für solche Abgaben gefüllt hält. Ansonsten könnten entweder zeitaufwendige Nebenmissionen oder ein „Buy-In“ gegen hartes Geld nötig werden.
Und gerade dieses strömt zurzeit immer noch stetig herein, wenn logischerweise auch längst nicht mehr so schnell wie noch im November. Die 7 Millionen $-Latte wird wohl in den nächsten Tagen noch gerissen werden, und bis jetzt beläuft sich der durchschnittliche Beitrag jedes zukünftigen „Citizen“ auf ca. 70$, - ein stolzes Sümmchen! Misst man die angekündigte Wiederbelebung des Spacesim-Genres allein an der Zahlungsbereitschaft der Weltraumfans für eine noch lange nicht abgeschlossene PC-Entwicklung, kann Roberts schon jetzt einen Sieg verbuchen. Das Interesse an einem solchem Projekt ist definitiv vorhanden und wird, soviel ist sicher, von Entwicklern und Publishern weltweit gleichermaßen aufmerksam beäugt. Ob und inwiefern gerade die großen Publisher-Konzerne ihre Lehren aus Roberts´ Finanzierungsmodell ziehen werden, ist im Moment noch gar nicht abzusehen. Star Citizen bzw. Squadron 42 dürfte dort schon jetzt weitreichende Schockwellen verursachen, schließlich haben Spieler noch nie zuvor solche Summen für ein Spiel investiert, das noch nicht erschienen ist.
Waghalsige Spekulationen drängen sich hier auf und bieten Stoff für endlose Diskussionen: Wird die Spielentwicklung für die längst marginalisierte PC-Plattform auch in Punkto AAA-Titel in Zukunft auf ähnliche Crowdfunding-Methoden zur Vorabfinanzierung zurückgreifen? Werden die PC-Spieler als Quasi-Investoren generell mehr Einfluss auf die laufende Entwicklung ihres Wunschtitels nehmen können, wie das bereits in Form von Amplitudes „games2gether“ geschehen ist? Und welche Rolle, falls überhaupt noch, werden gerade die (über-)großen Publisher im Rahmen solcher Finanzierungsmodelle spielen?
Vielleicht sollte man diese Fragen an David Braben richten, dem Mitschöpfer von Elite bzw. des ganzen Spacesim-Genres schlechthin, dessen Entwicklerstudio Frontier Developments seit dem 5. November auf kickstarter ein eigenes Crowdfunding betreibt, um den Nachfolger Elite: Dangerous zu finanzieren. Von den angestrebten 1,25 Millionen £ konnte in knapp einem Monat bereits die Hälfte eingenommen werden und ein weiterer Monat steht noch aus. In welchem Maße der Genrekollege Star Citizen Brabens Projekt Vorschub geleistet hat, spielt eigentlich keine große Rolle. Vielmehr ist das PC-Weltraumgenre im Jahr 2012 lebendiger denn je, auch wenn es in der Vergangenheit vielfach zu unrecht totgesagt wurde. Zumal mit Egosofts X – Rebirth darüber hinaus noch eine weitere „Wiederbelebung“, wenn auch nur innerhalb derselben Spielreihe, angekündigt ist.
Unmittelbar gelegen käme eine Wiederbelebung technisch aufwendiger PC-Spielentwicklungen natürlich auch der Hardwareindustrie, die, - trotz regelmäßiger Benchmark-Rekorde - weiß, dass die volle Leistung ihrer aktuellsten Komponenten in heutigen Spielen nur noch selten angefordert wird. Längst vermutet man, dass zu Chris Roberts´ unbekannten Großinvestoren auch Hersteller wie Nvidia und Intel gehören, deren Namen – wohl kaum zufällig – bereits während der ersten Präsentation von Star Citizen in Austin beiläufig erwähnt wurden. Denkt man an frühere Wing Commander-Titel zurück, die die damals ohnehin kurze Lebensdauer von PC-Hardware regelmäßig relativierten, schlösse sich hier ein Kreis, der Ende der 90er mit Prophecy durchbrochen schien. Heute ist die Situation gewiss eine etwas andere und man hüte sich vor Vergleichen. Die heutige PC-Fangemeinde blickt den saftigen Hardwareanforderungen eines SC derweil ohnehin mit einer Lässigkeit entgegen, die sie durch jahrelange und wesentlich schlimmere Erfahrungen in eben jenen 90er-Jahren entwickelt hat. Wen schreckt noch der Gedanke an eine 400 Euro Grafikkarte bei der schlafwandlerischen Gewissheit, dass man in zwei Jahren sowieso einen PC besitzt, der ein SC/Sq42 locker stemmen dürfte? Dennoch sollten heutige Frühaufrüster besser bedenken, dass Spiele von Chris Roberts hardwareseitig gerne einmal etwas härter zuschlagen als ursprünglich erwartet.
Der Vorwurf des „Pay-to-win“ haftet im Moment jedoch mehr denn je an Chris Roberts´ Star Citizen. Solange nicht klar ist, welcher spielerische Online-Aufwand dem Erwerb von notwendigen „Galactic Credits“ entspricht, bleiben die derzeitigen Raumschiffe, Bundles und Addons weiterhin mit einem profanen Dollar -oder Euro-Preisschild versehen. Entsprechend fällt es immer schwerer, sie nur als optionale, käufliche „Zeitabkürzungen“ (Roberts) zu betracheten, sondern vielmehr als Waren, die für Echtgeld klare Vorteile gewähren und mit denen sich in einem MMO-Spiel eben Tatsachen schaffen lassen. Wer das als Panikmache abtut, sollte einen Blick auf die zahlreichen Clans, Kampfstaffeln oder Gilden werfen, die sich im Internet aktuell organisieren, aufrüsten und zum Teil schon deutliche Ziele abstecken. In Roberts´ Universum startet eben nicht jeder gleich, - manche werden immer gleicher sein - hier entscheidet bereits jetzt der Geldbeutel, was einem Spielprinzip à la Privateer hohnspricht. Es läge an Chris Roberts, diesem Misstand Einhalt zu gebieten, doch dieser ist vielmehr gewollt. Sein ursprünglich angekündigtes „Klassenprinzip“ für Star Citizen hat leider endgültig einen finanziell-elitären Charakter bekommen.
WingCenter meint: Eine Menge Geld ist zusammengekommen, und man darf gespannt sein, was daraus wird! Dass Squadron 42 nunmehr sicher ist, ist ein gutes Zeichen und dürfte diejenigen freuen, die mal wieder eine spannende Kampagne im schönsten Weltraum aller Zeiten erleben möchten. In Punkto Star Citizen gefällt sich Chris Roberts jedoch etwas zu sehr in der Rolle des jovialen Raumschiffmaklers und Merchandising-Anbieters – trifft dabei aber ganz offensichtlich den Nerv der Zeit. Ein Blick in die RSI-Foren lässt einen immer wieder verwundert die Augen reiben, und mitunter wähnt man sich ob mancher Signaturgrafiken unvermittelt auf einem Battlefield 3-Board. Zwei Jahre vor einer möglichen Veröffentlichung bilden zahlreiche angehende Sternenbürger bereits Fraktionen, Clans und Kampfstaffeln, obwohl sie zurzeit noch nicht einmal mit ihren Citizen-Cards spielen können. Eine ganze Reihe SC-Fansites sind in den letzten Wochen und Monaten aus dem Boden geschossen, deren Foren sich in kürzester Zeit gefüllt haben und wo sich nun die Gildenbildung vollzieht. Werden in einigen Threads dann mal die geleisteten Beträge der User bekanntgegeben, reibt man sich unvermittelt die Augen: Erstaunliche Summen sind entrichtet worden, denen bisher nur Versprechungen, "Pretty Pictures" und jede Menge Blendgranaten gegenüberstehen. Sind das dieselben Leute, die anderswo gegen DLC, „Pay-to-win“ und Balancemissbrauch wettern? Oder handelt es sich hier etwa um alte MMO-Hasen, die mal richtig auf die Kacke hauen wollen und auf monetär befeuerte Elitenbildung aus sind? Man will es nicht hoffen. Wenn in einem Universum für jeden alles möglich sein soll, dann sollten die Spieler auch alle mit den gleichen Mitteln beginnen, ohne Ausnahme. Vom Geist eines Privateer ist hier jedenfalls nichts zu spüren. Wer kauft, zeichnet nicht nur seinen spielerischen Weg vor, sondern hat mitunter gnadenlose Vorteile, die natürlich auch genutzt werden wollen. Möge Squadron 42 nur eine schöne Kampagne sowie einen funktionierenden Online-Coop-Modus aufweisen, damit man auch mit seinen Freunden ordentlich zusammen fliegen und Spaß haben kann! An Star Citizen klebt jedoch ein ständiges Preisschild. Das ist wohl der Nerv der Zeit - Volltreffer, Mr. Roberts!
* Verwirrung stiftet derzeit die Tatsache, dass sich die Paketpreise nach einem Login nicht nur ändern, sondern auch die jeweilige Ausstattung wechselt: Lockt das günstigste Angebot (Digital Scout) für 30 $ den unbedarften Besucher noch mit einem Spieldownload (mit Schiff), 1000 Credits sowie 2 Monate Schiffsversicherung, so enthält dasselbe Angebot (mit leicht geändertem Namen) nach Anmeldung nun Spiel (mit Schiff), 1000 Credits und Zugang zu Alpha- und Betaphase. Die Versicherung scheint verschwunden, Alpha- und Betazugang sind hinzugekommen, doch sind dafür jetzt 35 $ fällig. Auch bei teureren Paketen ändern sich nach der Anmeldung plötzlich Name, Preis und Inhalt. Die Kenntlichmachung rein digitaler Inhalte ist ebenso alles andere als konsistent.
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