Die zweite Hälfte der 90er Jahre markierte nicht nur das Ende der Wing Commander-Serie, im Jahr 1999 endete mit Descent 3 auch eine Spielreihe, die zu den Klassikern des 3D-Shooter-Genres zählt. Wer in den 90ern seine ersten Runden am PC drehte, kam an Parallax’ Vorzeigeserie nur schwer vorbei: Als Kampfpilot im Auftrag eines mächtigen Rohstoffkonzerns kämpfte man sich in Descent durch extraterrestrische Minenschächte und unterirdische Anlagen, deren Roboterdrohnen plötzlich außer Kontrolle geraten waren. Herausragende 3D-Grafik, komplexes Leveldesign, völlige Bewegungsfreiheit in sechs Richtungen sowie packende Mehrspielergefechte suchten damals Ihresgleichen. Unvergessen auch die jeweils kurz vor Levelabschluss obliatorische Flucht aus der Anlage, während ein Countdown die Explosion des Reaktors ankündigte. Anno 1999 wurde mit Descent 3 die Story um den wackeren Piloten, Material Defender genannt, und den korrumpierenden Computervirus schließlich fulminant abgeschlossen. Bereits einige Jahre zuvor hatte sich das Entwicklerstudio Parallax Software zweigeteilt; hinter Descent 3 stand nunmehr Outrage Entertainment, während Volition mit seiner FreeSpace-Serie längst auf dem Markt der Weltraumaction für Furore sorgte. Beide Studios sollten in den kommenden Jahren an THQ gehen und landeten 2013 schließlich in dessen Konkursmasse. Während des folgenden Ausverkaufs übernahm der ursprüngliche Publisher Interplay die Namensrechte an Descent. Keine guten Voraussetzungen für einen neuen Titel, sollte man meinen.
Doch im Zeitalter der schwarmfinanzierten Indie-Projekte ist manchmal vieles möglich, und auch bezüglich der Rechtslage lassen sich manchmal Übereinkünfte treffen, die viele andere, ähnliche Vorhaben vor unüberwindliche Probleme stellen.
Glück für die 2014 gegründeten Descendent Studios, denn das Indie-Team um Gründer Eric Peterson (zuvor bei Cloud Imperium Games) einigte sich mit Namensinhaber Interplay, sodass einem neuen Descent-Titel formell nichts mehr im Wege stand. Im April 2015 konnten schließlich über kickstarter die erhofften 600 000 $ eingesammelt werden, woran sich über 8100 Unterstützer beteiligten. Descent Underound ist als Prequel zum ersten Teil der Reihe gedacht und schickt die Piloten erneut in Minen und Bergbaustollen.
Seit Ende Oktober ist die Prä-Alpha-Version über Steam als Early Access erhätlich und schlägt aktuell mit 27,99 € zu Buche. Momentan konzentriert sich die Entwicklung auf den Multiplayer-Part, mit dem sich Frühspieler schon jetzt Dogfights um die Kontrolle von Minenanlagen liefern können. Eine vollwertige Solokampagne ist allerdings angekündigt, und auch ein mächtiger Rohstoffkonzern soll darin eine Rolle spielen – Descent-Kenner können sich denken, von wem hier die Rede ist. Dennoch bleibt Descent Underground, zumindest zurzeit, vor allem ein Multiplayer-Spiel. In Punkto Technik gibt man sich bei Descendent Studios keine Blöße, schließlich muss ein Descent, das den Namen verdient, optisch schon etwas bieten. Dank der Unreal Engine 4 darf man sich auf die schönsten Gewölbe seit langem freuen, eindrucksvolle Explosionen und Waffeneffekte inklusive. Bei den Waffen wird man übrigens auf alte Bekannte treffen; vom Laser über die Gauss-Kanone bis zur Mega-Missile wird alles dabei sein, was man unter Tage zum Überleben braucht. Ob all dies auch genauso klingt, aussieht oder unter dem gleichen Namen wie damals firmiert, bleibt jedoch fraglich. Einige Content-Rechte gehören nach wie vor zum Nachlass von Parallax Software und sind für die Entwickler (noch) Tabu. Der Release von Descent Underground ist für das Frühjahr 2016 geplant. VR-Hardware wird selbstverständlich unterstützt.
Ein Blick auf den „Pledge Store“ von Descendent Studios zeigt jedoch, dass die Entwickler von einigen Praktiken ihres früheren Brötchengebers nicht lassen können. Merchandisingartikel und Micropayment-Angebote sind schon jetzt im Angebot. Des Weiteren soll es gleich zwei Währungssysteme geben, mit denen sich die gesteuerten Drohnen aus- und hochrüsten lassen. Dass die eine Währung („Pals“) später auch für Echtgeld eingetauscht werden kann, veranlasst die Entwickler, noch in ihren FAQs dem unvermeidbaren Vorwurf des „pay-to-win“ eine kategorische Absage zu erteilen: Sämtliche „Pals“ seien auch komplett im Spiel zu erwerben. Argumentation und Wortwahl klingen freilich vertraut. Das weitere Angebot ist reichhaltig: Für 99.- $ im Jahr (wahlweise 10.- $ pro Monat), zusätzlich zur normalen Kopie des Spiels, erwirbt man Zugang zu einem exklusiven Club, der privilegierten Zugang zu Entwicklern und Designentscheidungen gewährt. Alpha- und Beta-Access sind natürlich auch getrennt erhältlich. Man darf gespannt sein, was aus Descent Underground wird. Nächstes Jahr erfahren wir es!
WingCenter meint: Das kommende Descent Underground sieht schon mal verflucht gut aus! Spannende Multiplayer-Gefechte mit den altbekannten Waffen sind praktisch programmiert, und die Spielumgebung sieht so gut aus wie nie. Hoffentlich gibt’s auch eine ansprechende Solokampagne, die vielleicht sogar die Brücke zum ersten Teil schlägt. Es wäre jedenfalls jammerschade, beließen es die Entwickler nur beim Mehrspieler-Aspekt. Descent war immer auch Story und Solo-Kampf. Das optionale Angebot an Bezahlinhalten und Produkten stimmt aber etwas skeptisch: Bedruckte T-Shirts sind eine Sache, teure Premium-Accounts für interne Team-Meetings sowie Extrapakete für Beta-Zugang eine andere - zumal erfolgreiche Indie-Titel wie z.B. „Endless Space“ all dies zu einem geringen Einstiegspreis boten. Und allen Beteuerungen der Entwickler zum Trotz: Spielwährung gegen Echtgeld hat prinzipiell immer einen negativen Beigeschmack. Entwickler-Sprüche wie: „Kann man alles im Spiel verdienen“ oder „Ist eigentlich gar nicht nötig“( Warum dann überhaupt? - Weil man’s kann und schnelles Geld damit verdient!) stinken inzwischen nach Banknoten und klingen unredlich. Hat Descent Underground das wirklich nötig? Hoffentlich nicht, denn ich freue mich auf dieses Spiel, das einen großen Namen trägt. Es wäre bedauerlich, wenn sich hinter den „Pals“ am Ende PayPal verbergen würde.